Walserherbst: Konferenz der Möwen
(Karlheinz Pichler, 20.8.2021, Blons, Walserherbst)

Neben Literatur, Musik, Theater, Tanz und öko-sozialen Veranstaltungen sind in das Walserherbst Festival auch immer bildnerisch Tätige mit eingebunden. Neben Maria Baumschlager-Dünser, Nikolaus Walter, Reinold Amann und anderen partizipierte am Walserherbst 2021 auch die in Feldkirch lebende und arbeitende Künstlerin May-Britt Nyberg. Unter dem Titel "Konferenz der Möwen" bespielte sie von 20. August bis 12. September 2021 die verlassene Heubarge "Emmili's Haus" mit rund 40 Seemöwen aus Papiermache und einer Soundinstallation. Nachfolgend ein Auszug der Vernissagerede, die Kurator Karlheinz Pichler anlässlich der Vernissage gehalten hat:      

"Laut der 'World Bird List' gibt es 55 unterschiedliche Seemöwenarten. Etliche davon hat die Künstlerin May-Britt Nyberg skulptural in Lebensgrösse umgesetzt. Das Spektrum der mit Hilfe von 'Drahtskeletten' und Papiermaché gestalteten Vögel reicht von der Lachmöwe über die Schwarzkopfmöwe und Silbermöwe bis hin zu Heringsmöwen und Zwergmöwen. 
Die Möwen, die ja symbolisch auch für 'Freiheit' stehen, haben sich hier versammelt, um einige schwerwiegende aktuelle Zeitprobleme zu diskutieren. Dass es dabei sehr angeregt zugehen kann, hört man an ihrem Geschrei. So geht es etwa um den Klimawandel, der unter anderem bewirkt, dass Pflanzen- und Tierarten plötzlich und unvermutet in Lebensräumen wahrgenommen werden, in denen sie bislang überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten sind. Oder um die Umweltverschmutzung, besonders der Meere, werden doch immer häufiger in den Mägen und Ausscheidungen der Meeresvögel – auch der Möwen - Mikroplastiken gefunden.        

Manche Möwenarten, beispielsweise die Silbermöwe, sind zum Kulturfolger geworden und bevölkern besonders im Winter Müllhalden, Klärteiche und fischverwertende Betriebe.      

Möwen sind sehr lautstark, was häufig noch durch ihr geselliges Auftreten verstärkt wird. Ihre Schreie werden oft gereiht stakkatoartig ausgestoßen. Der Soundcluster, mit der die Künstlerin diese  Installation hier unterlegt, wird vom Möwengeschrei der Stadt ihrer Kindheit, Kalundborg, gespeist. Möwen haben auch vieles mit Menschen gemeinsam. Beide sind Jäger, Sammler und Räuber, sind flatterhaft und machen mit ihrem Geschrei viel Lärm, manchmal um nichts. Auch Mobbing ist bei ihnen an der Tagesordnung. Und es gibt die Alphamöwen und die armen Untertanen. Es gibt Möwen, die sich nur im Verbund stark fühlen, und es gibt introvertierte Möwen, die sich ganz gerne zurück ziehen. Bei Menschen und Möwen gleichermassen ausgeprägt ist der große Futterneid. Keine Möwe gönnt der anderen auch nur das Geringste. Möwen können auch sehr frech sein und Touristen Fischbrötchen oder Pommes aus der Tüte oder der Hand schnappen. In manchen Orten an der Ostsee oder auch auf Sylt ist es daher bei Strafe verboten, Möwen zu füttern, um eben Möwen nicht zu solchen Futterangriffen heranzuziehen. Ich bitte also, auch hier in Blons diesbezüglich vorsichtig zu sein.    
Wie man sieht, gefällt es den Möwen in Blons bestens. Sie haben sich hier, vom Künstlerhaus Bregenz und vom Zollhäuschen Koblach kommend, hier prächtig eingenistet. Gleichwohl müssen sie am 12. September wieder weiter ziehen, denn mit der Villa Claudia in Feldkirch, der Artenne in Nenzing und dem Zeppelin Museum in Friedrichshafen warten bereits die nächsten Konferenzorte auf sie. 

Zur Künstlerin:    
May-Britt Nyberg Chromy wurde 1965 im dänischen Herning geboren und lebt und arbeitet seit 1993 als freischaffende Künstlerin in Feldkirch. Ihr Werk ist breit angelegt. Neben Papiermaschee-Objekten spielen auch die Acryl-Malerei sowie Collagen in einer Kombination aus Malerei, Fotografie, Alltagsgegenständen und Textilien eine wesentliche Rolle. Vor allem aber sind es auch Druchtechniken wie Linol- und Holzschnitte, die in ihrem Schaffen breiten Raum einnehmen.
Karlheinz Pichler, 20.8.2021, Walserherbst

Momentan ist kein Inhalt mit diesem Begriff klassifiziert.